Der wissenschaftliche Streit über die feudale Revolution um 1000 ist nicht zuletzt eine Frage der Perspektive. Historiker*innen beobachten, dass um die Jahrtausendwende zahlreiche Institutionen aus den Fugen gerieten, die seit dem 8. Jahrhundert die soziale und politische Ordnung stabilisiert hatten: Könige verloren als zentrale Autoritäten vielerorts an Einfluss, die Rechtsprechung ging in die Hände lokaler Eliten über, die eigenständig Politik machten. Diese Umformung der Ordnung bedeutete, dass die Menschen sich nicht länger auf die etablierten Verfahren zur Schlichtung von Streit und Schaffung von Stabilität verlassen konnten.
Die Mitlebenden selbst jedoch haben diese Entwicklungen anders beschrieben als Historiker*innen: Sie diagnostizierten vor allem ein moralisches Problem in ihrem eigenen Verhalten und fürchteten deswegen den Zorn eines strafenden Gottes. Geschichtsschreiber wie der burgundische Mönch Rodulfus Glaber prangerten das Verhalten der Eliten an: Sie kauften und verkauften in ihrer Gier geistliche Ämter und Weihen (Simonie) und bedrängten die Kirchen!