Was bedroht uns?

Kritik an der klösterlichen Lebensform war im 16. Jahrhundert nichts Neues. Immer wieder war Nonnen wie auch Mönchen vorgeworfen worden, ihre Lebensweise entspräche nicht ihren eigenen Ordensregeln. Mit der Reformation setzte nun eine fundamentale Kritik ein: Klösterliches Leben wurde grundsätzlich in Frage gestellt.

Die Reaktion der Klosterfrauen zeigt, was sie als Bedrohung empfanden: Im September 1552 baten die Weiler Nonnen inständig, man möge sie bei ihren »alten christlichen Ceremonien« und ihrem »ehrbaren gottseligen Lebenswandels«, belassen. Jene Lebensform, die den Alltag der Nonnen im Stundengebet, im lateinischen Chorgesang, in der Beichte, in der Abendmahlsliturgie, kurzum, in allen Lebensbereichen des Katholizismus prägte, sollte abgeschafft werden – damit auch ihr Dasein als Nonnen. In Weiler wurde die Bedrohung ganz konkret und zwar in Gestalt der Abgesandten des württembergischen Herzogs, die ab Mitte des 16. Jahrhunderts immer wieder versuchten, unmittelbar vor Ort die Reformation über verschiedene Maßnahmen durchzusetzen: Durch geistliche Unterweisung von Seiten evangelischer Prediger und durch Einzelbefragungen der Klosterfrauen sollten die Weiler Nonnen vom neuen Glauben überzeugt werden.

Bild: »Mönch und Esel« – Leonard Beck, 1523
KARTEN Verbreitung der Dominikaner(Innen)konvente
im heutigen Baden-Württemberg

Verbreitung der Dominikaner(Innen)konvente
im heutigen Baden-Württemberg

Die Kartensequenz zeigt den deutlichen Rückgang der Konvente der Dominikaner(Innen) im heutigen Baden-Württemberg in weniger als 100 Jahren als Folge der Reformation. 

Wer sind wir?

Durch ihre klösterliche, von der Außenwelt abgetrennte Lebensform liegt der Gedanke nahe, dass das »Wir« für die Nonnen ihr eigener, im Jahre 1560 ca. ein Dutzend Klosterfrauen umfassender Konvent darstellte. Barbara Morlockin von Hohenwart zum Beispiel machte den Weiler Konvent als Ort aus, von dem sie nicht getrennt werden mochte. Solche Äußerungen über die Identität der Klosterfrauen sind in den uns überlieferten Quellen insgesamt selten. Die Bedrohung ihrer geistlichen Lebensform durch die Reformation zwang die Klosterfrauen jedoch zu Aussagen darüber, warum sie im Kloster bleiben wollten. Diese Äußerungen zeigen, dass sich die Identität der Klosterfrauen nicht nur auf den Konvent bezog. Das »Wir«, das die einzelnen Klosterfrauen entwarfen, war facettenreicher: Die Schwester der Priorin, Agnes Ehingerin, berief sich etwa auf die Treue zu ihrem gesamten Orden, den Dominikanern. Gemeinschaft wurde von den Weiler Nonnen zudem rhetorisch durch die nach außen getragene Selbstbeschreibung geschaffen, wonach sie als »arme blöde Weibsbilder«, als hilflose Frauen, der reformatorischen Bedrohung gegenüberstünden.

Bild: Wappen des Dominikanerordens

Was brauchen wir?

Die Nonnen von Weiler lebten in Klausur. Sie sollten das von Mauern umgebene Kloster, ihrem Ordensgelübde entsprechend, nicht verlassen. Wollten sie nicht auf sich selbst gestellt sein, mussten sie Kontakt zur außerklösterlichen Welt suchen. So kam dem brieflichen Austausch mit Familien und Verwandten – gerade in dieser dramatischen Zeit – eine besondere Bedeutung zu. Zwar liegen keine Briefe der Weiler Klosterfrauen an ihre Vertrauten und Bekannten mehr vor. Ein Antwortbrief, der die Priorin und das Kloster 1553 erreichte, ist uns aber überliefert. Er stammt vom Dominikanerprovinzial Johannes Pesselius und damit von einem hochrangigen Mitglied des Ordens, der von einigen Weiler Nonnen als »einer von Ihnen« gegenüber der reformatorischen Bedrohung gesehen wurde. Der Provinzial war über die schwierige Lage der Weiler Nonnen unterrichtet. In seinem Brief, einer Art Handlungsanleitung, klärte er die Priorin Ursula Ehingerin durch mitgeschickte Abschriften über die in Jahrhunderten entstandene Rechtslage ihres Klosters auf: Sie solle auf die Forderungen des evangelischen Württembergs auf keinen Fall eingehen. Gleichzeitig, so bekundete der Dominikaner, wolle er nun sein machtpolitisches Gewicht in die Waagschale werfen, damit sie »zu unbilligen und ungebührlichen Dingen nicht wird gedrungen«.

Brief von Johannes Pesselius, datiert auf den 30. September 1553, Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Audio Auszug aus dem Brief
des Provinzials der Dominikaner
00:00 — Auszug aus dem Brief des Provinzials der Dominikaner mit Handlungsanleitungen an Priorin Ursula

Was tun wir?

Um die Bedrohung zu bewältigen, folgten die Klosterfrauen den Anweisungen ihres Provinzials. Denn als sich ihre Situation um 1556 immer schwieriger gestaltete – so fehlte ihnen schon seit Jahren ein katholischer Geistlicher – verwiesen sie die Reformationsbeauftragten des Herzogs auf ihre althergebrachten Rechte und Traditionen, die ihnen vom Kaiser zuerkannt worden waren. Damit entzogen sie sich zeitweilig dem Zugriff des Herzogs. Im Hintergrund brachte die Priorin – vermutlich aus Angst vor der Beschlagnahmung durch den württembergischen Herrscher – wertvolles Silbergeschirr und andere Klostergegenstände außer Landes. Die Klosterfrauen von Weiler spielten somit gegenüber ihrem Landesherrn, dem sie als ihrem Schutzherrn zu Gehorsam verpflichtet waren, »auf Zeit« und erbaten immer wieder Aufschübe, um ihre gewohnte Lebensweise unter den neuen Rahmenbedingungen weitgehend aufrecht zu erhalten. So wurde der Konvent von Weiler erst aufgelöst als die letzte Nonne, Barbara Morlockin, 1592 starb.

VERGLEICH Was bleibt nach
der bedrohten Ordnung?

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