In seiner Schrift Naturales Quaestiones dient das Erdbeben in Kampanien Seneca als archetypisches Beispiel für die schreckliche Wirkung, die das Auftreten eines Erdbebens auf Menschen entfalten kann. Erdbeben sind für den Philosophen besonders schreckliche Formen der Bedrohung: »Denn was kann man noch für sicher halten, wenn sogar die Welt erzittert und ihre festesten Teile wanken?« (Seneca, naturales quaestiones VI 1,4) Erdbeben bedrohten aber nicht nur kurzfristig Leib und Leben jedes Einzelnen, sondern darüber hinaus mittelfristig auch die Fortexistenz ganzer Gemeinschaften. Im Falle des Bebens in Kampanien empfand Seneca die Situation auch deswegen als besonders prekär, weil die Sommervillen der römischen Aristokratie – und damit seiner Standesgenossen – direkt betroffen waren.